Marienkirche, Rinkenkopf

Aus der Geschichte der Gemeinde Baiersbronn

Die Gemeinde Baiersbronn präsentiert sich heute als attraktive Tourismusdestination im Nordschwarzwald. Die Qualitäten bestehen aus dichtem Wald, sauberer Luft, hervorragendem Trinkwasser und Spitzengastronomie, kombiniert mit einer geringen Bevölkerungsdichte.

Doch dies war nicht immer so: in früheren Jahrhunderten prägten abgeholzte Wälder, verqualmte Luft, verschmutztes Wasser und einfachste Küche, kombiniert mit einer steigenden Bevölkerungszahl das Leben in der Gemeinde. Wie kam es dazu und wie zu diesem Wandel?

Das obere Murgtal

Angefangen bei Kelten und Römern gibt es zu berichten, dass bisher auf dem Gemeindegebiet keine Funde bekannt wurden. Erst im frühen Mittelalter begann eine Besiedlung des oberen Murgtales, die zunächst nicht aus Dauersiedlungen bestand, sondern aus Holzfällern, die durch die Gegend wanderten und in einfachen Unterständen hausten. Köhler bauten ihre Meiler auf und zogen wieder weiter, wenn sie die umstehenden Bäume verkohlt hatten. Bergleute gruben oberirdisch nach Erz und später auch in Stollen nach allem, was sich verwerten ließ, wie z. B. auch Schwerspat oder Kobalt. Glasmacher produzierten in Waldglashütten das so genannte grüne Waldglas. Eisenerz wurde verhüttet und die benötigte Energie wurde aus der Holzkohle und aus Wasserkraft gewonnen.

Kloster Reichenbach

Im Jahr 1082 bekam das Kloster Hirsau das Gut Reichenbach geschenkt. Dies ist die älteste schriftliche Erwähnung eines Ortes auf dem heutigen Gemeindegebiet, dem Teilort Klosterreichenbach. Mönche wurden damals von Hirsau aus in das obere Murgtal geschickt, um dort ein Priorat einzurichten und bereits 1085 wurde die Klosterkirche eingeweiht. Bis 1595 lebten hier Mönche nach der Regel des Hl. Benedikt, bis Friedrich I. von Württemberg das Kloster seinem Herzogtum einverleibte. Im Jahr 1534 war in Württemberg die Reformation eingeführt worden und die Untertanen sollten nun dem reformierten Glauben anhängen. So sind bis zum heutigen Tag eine Mehrheit der Einwohnerinnen und Einwohner  von Baiersbronn Mitglieder einer evangelischen Kirche. Die im Kern romanische Klosterkirche steht bis zum heutigen Tag.

Holz als Lebensgrundlage

Da die klimatischen Gegebenheiten und die kargen Böden auf 650 m Höhe weder Getreide- noch Obstanbau in größerem Stil ermöglichten, war die häusliche Küche entsprechend einfach. Mehlspeisen, Milch, Kartoffeln und selbst angebautes Gemüse waren die Hauptnahrungsmittel. Holzprodukte wie Bauholz, Brennholz, Holzkohle, Wieden für die Flöße, Holzschnitzel für die Gerberei, Harz, Teersalbe, Asche und Ruß dienten als Tauschobjekte oder wurden verkauft. Fast alles, was zum Leben benötigt wurde, war aus Holz. Wie in allen europäischen Mittelgebirgen, spielte auch hier die Flößerei bis zum Aufkommen der Eisenbahn eine bedeutende Rolle. Doch die wirtschaftliche Entwicklung, die weitgehend aus Ressourcenverbrauch bestand, konnte mit der steigenden Lebenserwartung und der damit einhergehenden Bevölkerungsentwicklung nicht Schritt halten. So kam es bereits im 18. Jahrhundert und vermehrt dann im 19. Jahrhundert zu mehreren Auswanderungswellen, nach Nord- und Südamerika, aber auch nach Polen oder Russland. Für die württembergischen Herzöge und ab 1806 die württembergischen Könige war der Nordschwarzwald immer eher das Hinterland gewesen, das für sie Rohstoffe bereitstellen und Ressourcen liefern sollte sowie den Staatshaushalt mithilfe von Steuern zu finanzieren hatte. Die Herrscher hatten das Jagdrecht, das sie auch gerne nutzten. Bauliche Überreste haben sie nicht viele hinterlassen, etwa die Ruine Königswart bei Schönegründ. Die Erbauer der Burgruine Tannenfels bei Obertal sind im Dunkel der Geschichte verschwunden und über die Funktion und das Alter der noch heute beeindruckenden Überreste der Rinkenmauer kann man nur spekulieren.

Die in Württemberg übliche Realteilung führte dazu, dass die Äcker und Waldteile der Bauern und Waldarbeiter mit jedem Erbfall immer kleiner wurden. Nur in Schwarzenberg herrschte das Anerbenrecht, so dass nur ein Sohn den ganzen Hof mitsamt dazugehörigem Wald erbte. Noch heute zeugen die großen Höfe in Schwarzenberg davon, ebenso auch in Röt.

Aber auch die heimische Industrie wandelte sich: Aus Handwerksbetrieben wie Schmieden entwickelten sich hoch spezialisierte Maschinenbaufirmen und aus kleinen Gasthäusern wurden Sterne-Hotels. Sägewerke sägten nicht nur Bretter, sondern waren um 1900 auch die ersten Stromlieferanten für die Gemeinde.

Schönmünzach

Ein schönes Beispiel für die Transformation vom Industriestandort zur Tourismusgemeinde bietet das heutige Kurhaus in Schönmünzach, das 1938 auf dem Standort einer ehemaligen Glashütte eingeweiht werden konnte. Diese produzierte hier von 1733 bis 1902 vornehmlich Flachglas. Die letzten Produktionsgebäude waren erst 1931 abgerissen worden. Bis 1933 wurde an dieser Stelle ein Kurgarten angelegt. Das Kurhaus selbst wurde 1955 noch erweitert und 2015 denkmalgerecht saniert. Heute ist es eine beliebte Hochzeitslocation.

Die Murgtalbahn

Der Tourismus zieht erst im oberen Murgtal ein, als sich die Straßen und Wege verbessern und die Murgtalbahn gebaut wird. Ab 1901 gab es eine Zugverbindung von Freudenstadt über Baiersbronn bis nach Klosterreichenbach. Die Bahnverbindung Stuttgart – Freudenstadt existierte bereits seit 1879 und ermöglichte es Touristen bzw. den Luftschnappern, wie sie von den Einheimischen auch etwas abfällig genannt wurden, relativ bequem von der württembergischen Hauptstadt in den Schwarzwald zu kommen.

Baiersbronn als Tourismusstandort

Im 20. Jahrhundert kam dann der Tourismus so richtig in Schwung. Bereits in den 1920er Jahren gab es Hotels mit gehobenem Standard wie das Hotel Sonne Post in Klosterreichenbach, das Hotel zum Bahnhof in Baiersbronn oder das Kurhaus Ruhestein. Ab 1928 war dann die Murgtalbahn von Freudenstadt über Baiersbronn bis nach Rastatt durchgängig befahrbar und so konnte das hochgelegene Talende des oberen Murgtals zum ersten Mal in der Geschichte problemlos erreicht und auch wieder verlassen werden.

1933 dann ein erster sportlicher Höhepunkt: die Nordischen Wettbewerbe bei den Deutschen Skimeisterschaften wurden in Baiersbronn und Freudenstadt ausgetragen. Während des Dritten Reiches kamen Urlauber aus ganz Deutschland mit der Organisation „Kraft durch Freude“ in den Schwarzwald und Einheimische betätigten sich als Wanderführer. Nach Beginn des 2. Weltkriegs im Jahr 1939 waren die Aufenthalte nicht mehr ganz so freiwillig: In deutschen Großstädten ausgebombte Familien und ganze Schulklassen fanden Unterkunft und wurden in Privathäusern einquartiert. Während des Krieges blieben die Einwohnerinnen und die wenigen Einwohner von größeren Kampfhandlungen weitgehend verschont. Im April 1945 besetzten französische Truppen Baiersbronn und die umliegenden Ortschaften und nach Kriegsende am 8. Mai suchte die französische Besatzungsmacht ebenfalls Unterkünfte für ihre Offiziere und Mannschaften und alle mussten noch enger zusammenrücken.

Ab den 1950er Jahren erleben Baiersbronn und die umliegenden Orte einen wahren Tourismusboom, der mit einem Bauboom einherging und in den 1970er Jahren einen Höhepunkt erreichte. Im Jahr 1978 war Baiersbronn mit 1,76 Mio. Übernachtungen der größte Kurort in Baden-Württemberg – ein Rekord! Auch der Wintersport hatte seit Kriegsende einen großen Aufschwung in der Gemeinde erlebt und so fanden 1953 die Deutschen Nordischen Skimeisterschaften in Baiersbronn auf der Murgtalschanze statt. Bereits bestehende Skisprungschanzen wurden erweitert und ausgebaut.

Eine Eislaufhalle im Winter und fünf Freibäder im Sommer bieten sportliches Vergnügen für Touristen wie Einheimische. Seit 1958 besteht die Jugendmusikschule der Gemeinde. Ein ortsbildprägendes Fachwerkhaus im Zentrum des Oberdorfs von Baiersbronn wird nicht abgerissen, sondern 1995 das Hauff Märchenmuseum darin eröffnet und alljährlich findet hier auch das Märchenfestival statt. Auf dem Gelände der ehemaligen Glashütte in Buhlbach wird ein Kulturpark eingerichtet und so die Glasproduktion früherer Jahrhunderte erlebbar gemacht. Vereine, besonders im Bereich Sport und Musik, waren bis zur Jahrtausendwende die bedeutenden Kulturträger in der Gemeinde.

Baiersbronn wird größer

Die Gemeindereform in Baden-Württemberg sorgte dafür, dass 1971 die Gemeinde Röt-Schönegründ nach Baiersbronn eingemeindet wurde und 1974 dann die bis dahin ebenfalls selbstständigen Orte Klosterreichenbach, Huzenbach und Schwarzenberg-Schönmünzach. Ein Jahr später wurde der württembergische Teil des Kniebis, der jahrhundertelang zu Baiersbronn gehört hatte, nach Freudenstadt eingemeindet. Außerdem wurde der nun um dem Altkreis Horb vergrößerte Landkreis Freudenstadt vom schwäbischen Regierungspräsidium Tübingen dem badischen Regierungspräsidium Karlsruhe zugeordnet, was für die schwäbisch sprechenden Einwohner eine ziemliche Umstellung bedeutete. Die alte Grenze zwischen der Gemeinde Baiersbronn und der Gemeinde Forbach, die zugleich auch immer die Grenze zwischen Baden und Württemberg darstellte, die blieb jedoch unverändert und viele Grenzsteine, die noch erhalten sind, zeugen von ihrer Bedeutung.

Nationalpark Nordschwarzwald

Im Jahr 2013 beschloss der Landtag von Baden-Württemberg im Nordschwarzwald einen Nationalpark einzurichten. Er liegt größtenteils auf Baiersbronner Gemarkung. 2014 wurde der Nationalpark offiziell eröffnet und 2020 konnte das spektakuläre Nationalparkzentrum mit der Dauerausstellung eingeweiht werden. Neben Genießerpfaden und Mountainbiketrails ist das eine weitere große Attraktion für Touristen. Die Dorfsanierung in Baiersbronn und die Gartenschau im Forbachtal 2025 prägen derzeit die Entwicklung der Gemeinde.

Zimmerplatzhütte